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23. April 2018

Stellungnahme zum dritten Agglomerationsprogramm

Das hohe Wirtschaftswachstum und die Zunahme der Bevölkerung in den Agglomerationen haben in den vergangenen Jahrzehnten stark zu einer Mehrung des Wohlstands der Schweiz beigetragen. Zugleich veränderten sich damit jedoch auch die Mobilitätsbedürfnisse und -erfordernisse. Der Ausbau der Infrastrukturen konnte mit diesen nicht immer Schritt halten. Die Notwendigkeit eines Ausbaus der Verkehrsinfrastrukturen der Agglomeration Basel wird in der bundesrätlichen Vorlage insgesamt anerkannt. Einzelne Schlüsselprojekte werden aus Sicht der Wirtschaft jedoch noch nicht ausreichend berücksichtigt.

 

Mit sechs Millionen Einwohnern leben drei von vier Personen in der Schweiz in den Agglomerationen. In deren innersten Zentren, den Agglomerationskernen, konzentrieren sich 60 Prozent der Bevölkerung und 70 Prozent der Arbeitsplätze auf 12 Prozent der Landesfläche. Diese Konstellation stellt besondere Herausforderungen an die Raumentwicklung und -planung im Bereich Siedlung und Verkehrsinfrastrukturen. Bereits heute ist das Verkehrsaufkommen in den Agglomerationen ausgesprochen hoch, was zu einer regelmässigen Überlastung der vorhandenen Verkehrsinfrastrukturen führt. Insbesondere in den Spitzenzeiten ist bis 2040 von einer markanten Erhöhung auszugehen. Dies gilt umso mehr für die trinationale Agglomeration Basel, die als zweitgrösster Wirtschaftsraum der Schweiz mit hervorragenden Wachstumsperspektiven bereits heute mit grossen Kapazitätsengpässen auf sämtlichen Verkehrsträgern konfrontiert ist. Die Koordination grenzüberschreitender Massnahmen verkompliziert die Lage zusätzlich.

Um den Mobilitätsbedürfnissen der Gegenwart und Zukunft auf sämtlichen Verkehrsträgern Rechnung zu tragen, die Funktionalität des Gesamtverkehrssystems zu erhalten und zu verbessern sowie eine Siedlungsentwicklung nach innen zu fördern, bedarf es umfassender Handlungen. Aufgrund des hohen Handlungsdrucks und der Fülle an Massnahmen, stossen Kantone und Gemeinden bei deren Umsetzung häufig an ihre finanziellen Möglichkeiten. Für die Mitfinanzierung der Projekte durch den Bund, wurde daher im Jahr 2007 das Programm Agglomerationsverkehr ins Leben gerufen. Ziel ist eine kohärente Planung von Verkehr, Siedlung und Landschaft, welche zu einer nachhaltigen Raumentwicklung beiträgt. Mit der Annahme der Vorlage zum Nationalstrassen- und Agglomerationsfond (NAF) durch das Stimmvolk im Frühjahr 2017, wurde die Finanzierung für Massnahmen im Agglomerationsverkehr ab 2018 zeitlich unbegrenzt festgeschrieben. Auch in der dritten Generation der Agglomerationsprogramme werden prioritär jene Massnahmen berücksichtigt, welche eine Verbesserung des Verkehrssystems bewirken, Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch verringern und eine Siedlungsentwicklung nach innen fördern. Die Beiträge des Bundes an den Programmen betragen, je nach eruiertem Kosten-Nutzen-Verhältnis, zwischen 30 und 50 Prozent der Gesamtkosten.

 
Konzeption

Das Verkehrsaufkommen innerhalb der Agglomerationen ist bereits heute sowohl auf dem Strassen- als auch auf dem Schienennetz deutlich höher als ausserhalb. Dringender Handlungsbedarf besteht im trinationalen Raum Basel, dessen Kapazitäten auf sämtlichen Verkehrsträgern bereits heute regelmässig überbeansprucht sind. Die hervorragenden Wachstumsperspektiven der Agglomeration Basel werden, trotz getroffener Massnahmen, nochmals zu einem deutlichen Anstieg der Verkehrsleistung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten führen.

 

Zum dritten Mal hat auch die Agglomeration Basel ein Programm eingereicht. Insgesamt sind für die Region Basel Bundesbeiträge in Höhe von 107 Mio. Franken für Massnahmen im A-Horizont, d.h. mit Baureife zwischen 2019-2022, enthalten. Hieraus ergibt sich eine Erfolgsquote, d.h. enthaltene Mittel an insgesamt beantragten Mitteln, von 44 Prozent. Ausserdem erfreulich ist der vergleichsweise hohe Beitragssatz des Bundes an den Projekten im Raum Basel von 40 Prozent, welcher sich aus einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis der beantragten Massnahmen ergibt.

 

Mit dem Tram Claragraben und dem Zubringer Dornach / Aesch an die A18 haben es zwei bedeutsame Projekte in die Liste mit höchster Priorität geschafft. Nicht enthalten sind der Zubringer Bachgraben, welcher bei der Planung eines Ringschlusses um Basel eine Schlüsselrolle einnimmt sowie der Anschluss Aesch-Angenstein und der Vollanschluss Aesch. Letzterer sollte aufgrund des direkten Zusammenhangs gleichzeitig mit dem Zubringer Dornach / Aesch erstellt werden. Diese Massnahmen sind aus Sicht der Handelskammer daher dringend in den A-Horizont aufzunehmen. Das gleiche gilt auf Seiten des öffentlichen Verkehrs für das Tram Klybeck – Kleinhüningen, welches im B-Horizont gelistet noch zu unverbindlich berücksichtigt wird.

Trotz der an sich guten Eckdaten, fällt der Anteil an Bundesmitteln für die Agglomeration Basel an den Gesamtbundesmitteln in der 3. Generation mit 9,5 Prozent eher gering aus. Dies wird besonders beim Vergleich mit anderen grossen Agglomerationen deutlich: Während Genf, Bern und Lausanne-Morges über alle Generationen hinweg jeweils 10-12 Prozent aller Mittel erhielten, verbuchte Zürich mit 19 Prozent beinahe ein Fünftel der Gesamtmittel. Der Basler Anteil von 7 Prozent ist angesichts der Bedeutung des zweitgrössten Wirtschaftsraums der Schweiz mit einem Life Sciences- und Logistikcluster von nationaler und internationaler Bedeutung sowie hervorragenden Wachstumsperspektiven noch deutlich zu gering. Gemessen an den gesprochenen Mitteln ist Basel der als mittlerer Agglomeration taxierten Region St. Gallen-Bodensee (6 Prozent aller Mittel) deutlich näher als den anderen grossen Agglomerationen.

 

Forderungen

Mit dem Zubringer Bachgraben – Nordtangente, dessen Planung seit Eingabe des AP 3. Generation grosse Fortschritte gemacht hat sowie dem Vollanschluss Aesch und dem Anschluss Aesch-Angenstein sind drei für die Agglomeration Basel zentrale Massnahmen im Bereich MIV nicht im A-Horizont enthalten. Das gleiche gilt im Bereich ÖV für das Tram Klybeck – Kleinhüningen.

 

Konkret beantragen wir daher folgende Umpriorisierung von Massnahmen:

 

Massnahme
Priorisierung laut Vorlage
Antrag

M1: Vollanschluss Aesch

ÜM (Netzbeschluss)

A (AP)

M3: Anschluss Aesch-Angenstein

--

A (AP)

M13: Zubringer Bachgraben – Nordtangente

--

A (AP)

Ö1: Tram Klybeck – Kleinhüningen

B (AP)

A (AP)

 

Insgesamt wird die Agglomeration Basel noch zu wenig berücksichtigt, was vor allem beim Vergleich mit anderen grossen Agglomerationen deutlich wird. Die Folgen der unzureichenden Mittelsprechung in der Vergangenheit zeigen sich in Form von Verkehrsüberlastungen bereits heute. Daher gilt es aus Sicht der Wirtschaft in dieser Generation deutlich nachzubessern, damit Basel den Anschluss an andere grosse Agglomerationen nicht vollends verliert.

 

Die Handelskammer teilt grundsätzlich die Ziele der Massnahmen im Rahmen des Agglomerationsprogramms, so auch jenes zur Beförderung einer Siedlungsentwicklung nach innen. Dieser Aspekt steht aus unserer Sicht jedoch häufig einem notwendigen und funktionalen Ausbau von Strasseninfrastruktur, sprich einer Kapazitätserhöhung, entgegen. Weiterhin keine Beachtung erfährt der Güterverkehr. In zukünftigen Generationen des Agglomerationsprogramms ist diesem für eine wirtschaftsstarke Agglomeration bedeutsamen Verkehr deutlich mehr Beachtung zu schenken.

 

Fazit

Die Agglomerationen erbringen als Lebens- und Arbeitsorte den Grossteil des Wohlstands der Schweiz. Das Wirtschafswachstum und die Bevölkerungszunahme der Vergangenheit und Gegenwart stellen diese Räume vor grosse Herausforderungen im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen und der Siedlungsstrukturen. Die dichtbesiedelte trinationale Agglomeration Basel ist bereits heute regelmässig mit Kapazitätsengpässen auf Strasse und Schiene konfrontiert. Ein Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen drängt umso mehr, da die Region Basel aller Voraussicht nach auch in Zukunft stark wachsen wird. Um die Erreichbarkeit der Agglomeration von aussen und innerhalb auf einem guten Niveau zu halten, bedarf es dringend umfassender Massnahmen. Hierfür müssen oben genannte Projekte zeitlich höher priorisiert werden und die Ziele mit einem Ausbau von Strassenkapazität in Einklang gebracht werden. Ferner ist der wohlstandsrelevante Güterverkehr in die Planungen einzubeziehen.

 

Beantwortung des Fragenkatalogs zur Vernehmlassungsvorlage:

 

    1.   Sind Sie mit den Grundzügen der Vorlage einverstanden?

Ja. Die Handelskammer beider Basel begrüsst die Schaffung eines Programms, welches Bundesmittel gezielt in den Agglomerationen, in denen der Handlungsdruck am grössten und die Effizienz am höchsten ist, einsetzt, ausdrücklich. Die vorgesehenen Bundesbeiträge in Höhe von 1.12 Milliarden Franken erachtet die Kammer prinzipiell als ausreichend. Für die Finanzierung von Strassenkapazität und unter Einbezug des Güterverkehrs bräuchte es eine entsprechende Anpassung nach oben.

 

    2.   Gibt es Aspekte, die Ihrer Ansicht nach zu wenig berücksichtigt wurden?

Die Integration des Güterverkehrs findet zu wenig Beachtung. Selbiges gilt für kapazitätserhöhende Massnahmen auf dem Verkehrsträger Strasse.

 

Programm Agglomerationsverkehr der dritten Generation

    3.   Haben Sie Bemerkungen zur dargelegten Ausgangslage?

Nein.

 

    4.   Sind Sie mit dem Vorgehen der Prüfung der Agglomerationsprogramme des Programms Agglomerationsverkehr der dritten Generation einverstanden? Falls nein, wo sehen Sie Anpassungsbedarf?

Die Instrumente bzw. Indikatoren zur Gütebewertung der Agglomerationsprogramme erachtet die Handelskammer grundsätzlich als sinnvoll und zielführend. Die Aufnahme zusätzlicher Kriterien, wie etwa den Wachstumsbeitrag einer Agglomeration für die Gesamtschweiz oder einen Multiplikatoreffekt pro investierten Franken, fänden wir sinnvoll.

 
    5.   Sind Sie mit den Ergebnissen der Bundesprüfung einverstanden? Falls nein, wo sehen Sie Anpassungsbedarf?

Den festgestellten Wert des Beitragssatzes von 40 Prozent, der sich aus einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis des Agglomerationsprogramms Basel 3. Generation ergibt, begrüssen wir sehr. Anpassungsbedarf sehen wir hingegen im Bereich der Verteilung von Bundesmitteln. Wir sind der Überzeugung, dass die geplanten Massnahmen, insbesondere auch aufgrund unzureichender Mittel in den ersten beiden Agglomerationsprogrammen, nicht ausreichen um den Bedürfnissen der zweitstärksten Wirtschaftsregion der Schweiz zu entsprechen. Der Anteil an Bundesmitteln sollte sich vermehrt auch an der Wirtschaftsgrösse und den Wachstumsperspektiven orientieren. Massnahmen mit ebenfalls gutem Kosten-Nutzen-Verhältnis sind, wie oben dargelegt, vorhanden.

 

    6.   Haben Sie Bemerkungen zu einzelnen Agglomerationsprogrammen bzw. zu einzelnen Massnahmen?

Einige Schlüsselprojekte der Agglomeration Basel sind aus Sicht der Handelskammer noch zu unverbindlich berücksichtigt. Konkret fordern wir eine Umpriorisierung des Vollanschlusses Aesch, des Anschlusses Aesch-Angenstein und des Zubringers Bachgraben – Nordtangente in den A-Horizont. Bei letzterem wurden seit Eingabe des Agglomerationsprogramms grosse Fortschritte in der Planung erzielt. Auf Seiten des öffentlichen Verkehrs erachten wir eine Verschiebung des Trams Klybeck – Kleinhüningen in die A-Liste als dringend geboten.

 

Weitere Bemerkungen
    7.   Welche weiteren Bemerkungen haben Sie zur Vernehmlassungsvorlage?

Die Listen der pauschal mitfinanzierten Massnahmen nach Artikel 21a MinVV sind detailliert für jedermann zugänglich zusammen mit den Vernehmlassungsunter-lagen offenzulegen.

 

Stellungnahme Handelskammer beider Basel zum 3. Agglomerationsprogramm

 

 

Dr. Sebastian Deininger
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Standortpolitik
[email protected]
T +41 61 270 60 24

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